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Autor
Magris, Claudio

Kreuz des Südens

Untertitel
Drei wahre unwahrscheinliche Leben. Aus dem Italienischen von Anna Leube
Beschreibung

In der für Claudio Magris typischen, essayistischen Form des Romans begegnen wir drei europäischen Auswanderern, die zwischen Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein neues Leben in Araukanien und Patagonien beginnen.

Das Leben am Südpolarkreis, die Herausforderungen, aber auch die Faszination dieser unwirklichen Gegend, die Komplexität des Aufeinandertreffens fremder Menschen und Kulturen, der Wahn europäischen Denkens, all dies verknüpft Claudio Magris in seinem Buch. Reich an literarischen Verweisen beschreibt Magris in philosophischen Passagen das Verhältnis des Menschen zur extremen Natur der Antarktis und setzt ihr immer wieder die Sanftheit individueller zwischenmenschlicher Handlungen entgegen.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Hanser Verlag, 2025
Format
Gebunden
Seiten
144 Seiten
ISBN/EAN
9783446282520
Preis
23,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Claudio Magris, 1939 in Triest geboren, studierte Germanistik in Turin und Freiburg. Bis 2006 war er Professor für Deutsche Sprache und Literatur in Triest. Bei Hanser erschienen zuletzt »Verfahren eingestellt« (Roman, 2017), »Schnappschüsse« (2019) und »Gekrümmte Zeit in Krems« (Erzählungen, 2022). Magris erhielt zahlreiche wichtige Literaturpreise, u.a. 1999 den Premio Strega für »Die Welt en gros und en détail«, 2001 den Leipziger Buchpreis für Europäische Verständigung und 2006 den Prinz-von-Asturien-Preis. 2009 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und den Essaypreis Charles Veillon. 2012 wurde ihm das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.

Zum Buch:

In der für Claudio Magris typischen, essayistischen Form des Romans begegnen wir drei europäischen Auswanderern, die zwischen Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein neues Leben in Araukanien und Patagonien beginnen. Die im Untertitel als „drei wahre unwahrscheinliche Leben“ bezeichneten Schicksale stehen dabei in ihrer je eigenen Besonderheit für charakteristische Vertreter des europäischen kolonialen Denkens und Handelns.

Protagonist der ersten Geschichte ist der slowenische Ingenieur Janez Benigar, der 1908 in Buenos Aires ankommt und bereits zwei Jahre später die Nichte eines Araukanischen Kaziken (Adligen) heiratet. Benigar, der sich trotz Studium bei seiner Einreise als einfacher Arbeiter ausgibt, wird Vater von fünfzehn Kindern, gründet eine Weberei, legt Bewässerungssysteme und eine Bibliothek an. Er schreibt Bücher über Sprache und Leben der Araukaner und wird so zu einem wichtigen Ethnologen seiner Zeit. Immer wieder schreibt er Texte für Zeitschriften, verteidigt darin Araukaner und Mapuche, aber auch Einwanderer, die nach dem zweiten Weltkrieg eine neue Heimat suchten und gerade in größeren Städten heftigen Anfeindungen ausgesetzt waren.

Der zweite Teil widmet sich dem französischen Anwalt Orélie Antoine de Tounens, der sich im Jahr 1860 selbst zum König Araukaniens ernennt. Schon während seines Studiums träumt er von einem französisch-araukanischen Staat, nicht als Kolonie unter französischer Herrschaft, sondern als von Indigenen regierte Nation. Es gelingt ihm tatsächlich, einige Kaziken zu überzeugen, als Vereinte der Araukaner einen unabhängigen Staat zu erkämpfen. Er schreibt eine Verfassung, ernennt Minister und kehrt nach Frankreich zurück, um internationale Anerkennung für den neuen Staat zu gewinnen. Die französische und auch internationale Presse verspottet ihn jedoch nur, und er landet für Jahre in einer psychiatrischen Anstalt.

Im dritten und letzten Teil seines Buchs stellt Magris die Nonne Angela Vallese vor, die 1880 in Patagonien ihre Arbeit als Missionarin beginnt. Bei ihrem ersten Kontakt halten die indigenen Yamana Schwester Angela für einen übergroßen Pinguin, schnell entsteht jedoch ein reger Austausch, und Schwester Angela übernimmt die Behandlung von Kranken. Da das Land mittlerweile von großen Handelsgesellschaften erschlossen wurde, die die die großen Flächen als Farmland nutzen, schwand der Lebensraum der Yamana immer weiter. Krankheiten, vor allem Masern, die durch Europäer eingeschleppt wurden, setzten ihnen ebenfalls zu, und so starben beinahe alle Angehörigen des Volk der Yamana während Schwester Angelas Missionarszeit.

Das Leben am Südpolarkreis, die Herausforderungen, aber auch die Faszination dieser unwirklichen Gegend, die Komplexität des Aufeinandertreffens fremder Menschen und Kulturen, der Wahn europäischen Denkens, all dies verknüpft Claudio Magris in seinem Buch. Reich an literarischen Verweisen – von Goethe über Jules Vernes bis zu Edgar Allen Poe –, beschreibt Magris in philosophischen Passagen das Verhältnis des Menschen zur extremen Natur der Antarktis und setzt ihr immer wieder die Sanftheit individueller zwischenmenschlicher Handlungen entgegen.

Fabian Kemp, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt a. M.