Unmittelbar nach dem großen Finanzdebakel von 2008 entzündete sich in der akademischen Debatte ein Sturm der Entrüstung, der die Analyse der Struktur des finanziellen Kapitals zugunsten eines Schreis nach moralischer Rechtschaffenheit und der aufgeregten Forderung nach Regulierung der Finanzmärkte ersetzte. Gegen solch populär-heterodoxe Positionen, die im Gleichklang mit dem Arbeitswertmarxismus vom aktuellen Finanzregime als dem Resultat der räuberischen Gier von unproduktiven Finanzrentiers fantasieren, bemüht sich Achim Szepanski um ein radikal nicht-marxistisches Verständnis der intrinsischen Rolle, welche die moderne Finance für den gegenwärtigen Kapitalismus spielt. Das neoliberale Modell der Finanzialisierung erweist sich nämlich als eine außerordentlich effektive Strategie zur Aufrechterhaltung der kapitalistischen Hegemonie. In diesem Kontext haben wir es mit zwei Funktionen der finanziellen Derivative, selbst noch in ihren exotischsten Versionen, zu tun: Sie stehen für
eine neue Form des spekulativen Geldkapitals und für eine Technologie des abstrakten Risikos, das die kapitalistischen Machtbeziehungen heute organisiert.
Achim Szepanskis Projekt einer nicht-marxologischen Auseinandersetzung mit Marx Kritik der Politischen Ökonomie unternimmt im zweiten Band der Schrift “Kapitalisierung” den Versuch, die rasenden Gegenstandswucherungen globalisierter Sozio-Ökonomiken radikal als Phänomene monetärer Kapitalisierung zu lesen. Gegen die Hegemonie der in aktuellen Vielfachkrisenzeiten wieder herumgeisternden Modernisierungsversuche kapitalistischer “Real-Ökonomie” wird eingewandt, dass die moderne Finance keine Entstellung darstellt, sondern selbst noch in ihren exotischsten Instrumenten sich in die Logik des Kapitals einpasst. Szepanski untersucht aktuelle Trends der finanziellen Innovation, das neue Übergewicht der Derivatmärkte, den rasanten Anstieg der Verschuldung und die Beschleunigung der Finanzmaschinen. Als neue Formen des Geldkapitals operieren Derivate zugleich als Technologien der Macht, die eine wesentliche Rolle in der Organisation der sozialen Beziehungen im Kapitalismus spielen. Es zeigt sich, dass Marx Kategorien nach wie vor essenziell für das Verständnis der finanziellen Maschinen sind, die Analyse der Realität des gegenwärtigen Kapitalismus aber auch neue Konzepte benötigt, die über die Marx schen Texte hinausreichen.
Analysen, wie sie etwa von Elie Ayache, Bichler/Nitzan, Christian Marazzi, John Milios und Elena Esposito zu den Finanzmärkten vorgetragen werden, nutzt Szepanski als Material, um seine Analyse des finanziellen Kapitals und die wichtige Rolle der Finanzderivate voranzutreiben. Gegen die heterodoxen Ansätze, in denen Finance vornehmlich als parasitäres Monstrum auftaucht, bietet Szepanski ein prägnantes “Mapping” des finanziellen Kapitals im gegenwärtigen Kapitalismus an.
(Klappentext)