Zum Buch:
Vielleicht war es der Name für das Baby, den Chiara sich ausgedacht hatte: Marie. Vielleicht hat sie die Gutenacht-Geschichte ihres Bruders Frido zu sehr mit neuen Dingen ausgeschmückt, vielleicht auch an ein Geheimnis der Mutter gerührt – die Tochter weiß es nicht. Müde war Veronika Kelber an diesem Abend – so wie immer, denn sie arbeitet tagsüber in einer Arztpraxis und erzieht ihre Kinder allein; der Vater hat eine neue Familie gegründet. Frido, der Zwölfjährige, bringt Chiara und ihre zehnjährige Schwester Mira jeden Morgen zur Schule, er unterstützt die Mutter auch sonst, wo es nur geht. Nicht nur deswegen hat Veronika ein schlechtes Gewissen. Als sie sich so schwer verletzt, dass sie in ein Krankenhaus gebracht werden muss, sind die Kinder ganz auf sich gestellt, denn bei dem Vater und seiner neuen Frau mit Baby wollen sie nicht bleiben.
Ganz nah führt Steven Uhly Leserinnen und Leser an die Figuren dieses Romans heran, lotet die Untiefen von Erwachsenen, Kindern und von der in Arm und Reich gespaltenen Gesellschaft im heutigen Deutschland aus. Die bedingungslose Sympathie für jede seiner Figuren ist auf jeder Seite des Romans spürbar. Man kann „Marie“ als die Fortsetzung des von Michael Verhoeven verfilmten Romans „Glückskind“ lesen, aber man muss diese andere Geschichte durchaus nicht kennen: „Marie“ hat einen eigenen Tonfall und ist ein ganz besonderer, intensiver, ein schöner Roman.
Susanne Rikl, München