Alle Empfehlungen

Drucken

Alle Empfehlungen

Autor
Valero, Vicente

Übergänge

Untertitel
Roman. Aus dem Spanischen von Peter Kultzen
Beschreibung

Der Erzähler kehrt nach langer Abwesenheit in sein spanisches Heimatdorf zurück, um an der Trauerfeier seines verstorbenen besten Freundes aus Kindertagen teilzunehmen. Rasch werden Erinnerungen wach. Erinnerungen, an die er am liebsten nicht gerührt hätte, denn die Zeit vor zwanzig Jahren unter der Knute General Francos hat ihre Spuren hinterlassen, und das nicht nur bei ihm.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Berenberg Verlag, 2019
Format
Gebunden
Seiten
88 Seiten
ISBN/EAN
978-3-946334-53-8
Preis
22,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Vincent Valero, geboren 1963 auf Ibiza, wo er auch heute lebt. Er hat zahlreiche Gedichtbände veröffentlicht, dazu Essays und erzählende Prosa. Auf Deutsch erschien 2006 Der Erzähler. Walter Benjamin auf Ibiza 1932 und 1933 und zuletzt Die Fremden.

Zum Buch:

„Eine Weile wanderte ich orientierungslos durch die nassen seelenlosen Straßen, bis ich schließlich auf den Friedhof stieß, wo, wie ich mir sagte, früher oder später auch meine Knochen landen würden, genau wie meine Erinnerungen und Gedanken, meine Trauer und meine Freude, nichts davon wäre dann noch von Bedeutung, erst recht nicht, was an diesem Nachmittag geschah.“

Und genau von dem, was an diesem Nachmittag geschah, handelt dieses schmale, wunderbare kleine Büchlein, eher Novelle als Roman, die der Spanier Vincente Valero da mit so leichter Hand zu Papier gebracht hat. Es sind genau solche Perlen, für die der engagierte Berenberg Verlag als Garant steht. Und mit denen er den Leser immer wieder aufs Neue zu überraschen weiß.

Der Namenlose Ich-Erzähler begibt sich auf die Trauerfeier seines plötzlich verstorbenen Jugendfreundes Ignacio, den er in den letzten zwanzig Jahren nur noch ganz selten gesehen hat. Er tut dies zunächst widerstrebend, denn er hat nicht nur dem Ort, sondern auch der Zeit unter der Diktatur Francos innerlich den Rücken gekehrt und erinnert sich grundsätzlich nur ungern an die gemeinsamen Kindheitstage. Er kommt spät, eigentlich zu spät, was aber auch daran liegt, dass er eine Einladung zum Seeteufeleintopf mit Garnelen und der obligatorischen Flasche Weißwein nicht ausschlagen konnte – oder wollte. Er findet einen letzten Platz in der hintersten Bankreihe, nickt mal hierhin, mal dorthin in fragende Gesichter, schlägt den Kragen hoch, reibt sich die Hände vor Kälte an diesem eisigen Februartag und lässt die Blicke über die Trauergemeinde schweifen.

Sie sind alle gekommen, alte Bekannte, ehemalige Nachbarn, frühere Freunde und deren Familien, und je länger er sie schweigend betrachtet, desto klarer werden die Erinnerungen, die weiter zu unterdrücken er sich dann schließlich doch weigert. Und als er hinterher mit den zwei besten Freunden von damals eine Bar aufsucht und das höfliche Fragen nach dem Befinden dieses oder jenes Familienmitglieds beendet ist, steigen die Bilder von einst wie Sprechblasen auf: Die bösen Streiche während der gemeinsamen Klosterschulzeit, der Diebstahl der Pornohefte des Vaters, um sie an ebenso pubertierende Schüler wie sie selbst zu verkaufen, der dann, als er herauskam, einen riesigen Skandal auslöste. Die schmachtenden Blicke, die er Ignacios jüngerer Schwester zugeworfen hatte. Der Tod General Francos sowie das Aufatmen im Anschluss an die tagtägliche, lähmende Angst.

Vicente Valero ist ein brillanter Erzähler und Meister seines Fachs, dem zuzuhören der reinste Genuss ist. Er schreibt klar, pointiert und so lebhaft und flüssig, dass man meinen könnte, er säße bei der obligatorischen Flasche Weißwein in der eigenen Küche und erzähle und erzähle.

Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln