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Autor
Kurz, Constanze; Rieger, Frank

Arbeitsfrei

Untertitel
Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen
Beschreibung

Eine „seltsame Sucht“ diagnostizierte Paul Lafargue 1883 beim Menschen. „Diese Sucht ist“, wie man in seinem Buch Das Recht auf Faulheit erfährt, „die Liebe zur Arbeit“. Dagegen gäbe es zwar ein Heilmittel, aber die Menschen, so schließt Lafargue, „begreifen noch nicht, daß die Maschine der Erlöser der Menschheit ist“. Genau 130 Jahre später helfen Constanze Kurz und Frank Rieger mit ihrem Buch Arbeitsfrei. Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen auf die Sprünge. Wie bereits der Obertitel signalisiert, erkennen sie in den Maschinen weniger eine Bedrohung, als vielmehr ein enormes emanzipatorisches Potential.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Riemann Verlag, 2013
Format
Gebunden
Seiten
288 Seiten
ISBN/EAN
9783570501559
Preis
17,99 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Constanze Kurz (* 1974 in Berlin) ist Informatikerin und arbeitet als wissenschaftliche Projektleiterin am Forschungszentrum für Kultur und Informatik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. In der Öffentlichkeit ist sie als Sprecherin des Chaos Computer Clubs hervorgetreten sowie als technische Sachverständige in der Enquête-Kommission “Internet und digitale Gesellschaft” des Deutschen Bundestages.

Frank Rieger, Jahrgang 1971, ist technischer Geschäftsführer eines Unternehmens für Kommunikationssicherheit. Er ist einer der Sprecher des Chaos Computer Clubs und Mitgründer erfolgreicher deutscher Startup-Unternehmen in den Bereichen Datensicherheit, Navigationsdienste und E-Reading.

Zum Buch:

Eine „seltsame Sucht“ diagnostizierte Paul Lafargue 1883 beim Menschen. „Diese Sucht ist“, wie man in seinem Buch Das Recht auf Faulheit erfährt, „die Liebe zur Arbeit“. Dagegen gäbe es zwar ein Heilmittel, aber die Menschen, so schließt Lafargue, „begreifen noch nicht, daß die Maschine der Erlöser der Menschheit ist“. Genau 130 Jahre später helfen Constanze Kurz und Frank Rieger mit ihrem Buch Arbeitsfrei. Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen auf die Sprünge. Wie bereits der Obertitel signalisiert, erkennen sie in den Maschinen weniger eine Bedrohung, als vielmehr ein enormes emanzipatorisches Potential. Sie halten eine Zukunft für möglich, in der immer komplexere Software und intelligentere Roboter dem Menschen einen Großteil notwendiger Arbeiten abnehmen, so dass er Schöneres und Sinnvolleres mit seiner Zeit anstellen könnte.

Die Basis für diese Vision ist eine eindrucksvolle Analyse der Gegenwart. Sie nimmt den ersten Teil des Buches ein, der von der Produktionskette des Brotes – des Elementargutes schlechthin – skandiert wird. Angefangen bei der Ernte bis hin zum Backen und zur Logistik: Man kann nur staunen, auf welchen Arbeitsfeldern der Mensch schon jetzt längst verschwunden und durch Maschinen ersetzt worden ist. Bestimmte Aufgaben bleiben zwar wohl auch auf lange Sicht hin in menschlicher Hand; im zunehmenden Maße beschränken sie sich jedoch allein auf Kontrolle, Eingriffe bei Defekten und Wartungsarbeiten. Wie Kurz und Rieger am Beispiel eines Warenlagers schildern, treten an die Stelle von Menschen Roboter, die „ein abstraktes mathematisches Ballett“ vollführen. Aus dieser Metapher spricht eine große Faszination, die ansteckend wirkt. Denn Kurz und Rieger gelingt es, hochkomplexe technische Systeme nicht nur höchst ansprechend, sondern zugleich auch so darzustellen, dass es für einen Laien verständlich ist.

Im zweiten Teil des Buches wagen sie sich schließlich mit Zehenspitzen in die Zukunft vor. Um mögliche Entwicklungen und nicht zuletzt Gefahren zu benennen, geben sie einen Überblick über aktuelle Forschungen in der Robotik. Die Bereiche, in denen Veränderungen unweigerlich bevorstehen, sind vielfältig. Ob Autos, Medizin, Militär, Management oder Haushalt: Überall schreitet die Automatisierung unaufhaltsam voran. Selbst Berufszweige, die sich durch kreative und intellektuelle Leistungen definieren, sind nicht davor gefeit. Die „Maschinisierung von Kopfarbeit“ hat längst begonnen. So können Computer schon Sportberichte verfassen, die sich von denen aus Menschenhand kaum mehr unterscheiden lassen.

Solche Tendenzen können einem Angst und Bange machen. Trotz ihrer Technik-Euphorie setzen sich Kurz und Rieger keine rosarote Brille auf. Welche Gestalt die Zukunft annimmt, hängt von unseren Entscheidungen ab. Wie wollen wir mit den Errungenschaften der Automatisierung umgehen? Setzen wir Roboter als Kollegen oder Konkurrenten ein? Es besteht nämlich die Gefahr, dass die Technik das Leben nicht erleichtert, sondern im Gegenteil die Möglichkeit eröffnet, „die ‚Ressource Mensch’ effektiver auszulasten“. Ganz zu schweigen von der Bedrohung, die von autonomen Waffensystemen wie Drohnen ausgeht.

Spätestens an solchen Aspekten wird deutlich, dass technologische Fragen zugleich auch politische sind. Der politischen Dimension der Roboterisierung räumen Kurz und Rieger deshalb im Epilog großen Raum ein. Sie markieren die zentralen Punkte, über die eine gesellschaftliche Debatte geführt werden muss. Angesichts der großen Chance, die uns die Technik bietet, gehören, so ihre Forderung, die bestehenden sozialen und ökonomischen Strukturen auf den Prüfstand. Denn hielte man an einer auf Profitmaximierung und Wachstum fixierten Ordnung fest, dann drohe sich der Traum von einer Gesellschaft, in der Arbeit nicht länger Zwängen, sondern Interessen entspringt, in einen Alptraum zu verwandeln – den Alptraum einer radikal gespaltenen, mehrheitlich arbeitslosen Gesellschaft. Es gilt also jetzt die Weichen richtig zu stellen. Constanze Kurz und Klaus Rieger haben den Anfang gemacht.

Malte Kleinjung, Frankfurt am Main