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Autor
Kermani, Navid

Ausnahmezustand

Untertitel
Reisen in eine beunruhigte Welt
Beschreibung

Ägypten, Kaschmir, Indien, Pakistan, Afghanistan, Iran, Syrien, Palästina, Lampedusa – das sind die Regionen, aus denen Navid Kermani in seinem Buch berichtet. Seine Reportagen aus den Jahren 2005 bis 2012 sind, allerdings in stark gekürzter Form, in unterschiedlichen Zeitungen erschienen. Hier hat Kermani sie nicht chronologisch, sondern zu einer Reiseroute geordnet, die vom fernen Himalaya bis in Europas Vorhof Lampedusa reicht und deutlich klar macht: Unsere Sicherheit, unsere Werte werden vielleicht nicht direkt am Hindukusch verteidigt, was sich dort abspielt, sollte uns aber allemal beunruhigen.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Format
Gebunden
Seiten
253 Seiten
ISBN/EAN
9783406646645
Preis
19,95 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Navid Kermani, geb. 1967, lebt als freier Schriftsteller in Köln. Er ist habilitierter Orientalist und Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Für seine Romane, Reportagen und wissenschaftlichen Werke wurde er vielfach ausgezeichnet, zuletzt 2011 mit dem ‘Hannah Arendt-Preis für politisches Denken’ sowie 2012 mit dem ‘Kleist-Preis’, dem ‘Kölner Kulturpreis’ und dem ‘Cicero-Rednerpreis’.

Zum Buch:

„Reisen in eine beunruhigte Welt“ nennt Navid Kermani seine Berichte aus dem „Krisengürtel“, der sich von Kaschmir bis nach Ägypten zieht und in Lampedusa sein Ende findet. Es sind Reportagen aus den Jahren 2005 – 2012, und am Ende der Lektüre habe ich mehr vom alltäglichen Wahnsinn begriffen, der sich dort abspielt, als es mir die ständigen Fernsehberichte vermitteln.

In kurzen, prägnanten Szenen beschreibt Kermani einen Teufelskreis der Konflikte. Ob es die politische Situation in den einzelnen Ländern ist, die angebliche Unvereinbarkeit von Ethnien, Anschauungen und Religionen, nirgends ist ein klarer Ausweg in Sicht. Zu alt sind viele Auseinandersetzungen, zu viele Parteien mit zu vielen unterschiedlichen Interessen haben daran mitgewirkt und tun es noch heute.

Kermani schildert, oft in kurzen Gesprächen, einzelne Schicksale. die dem Leser beispielhaft und mit voller Wucht klarmachen, worin die Probleme im jeweiligen Land bestehen. Diese haben zumeist eine lange, verwickelte Geschichte und lassen sich selten auf einen eindeutigen Nenner bringen. Das Fatale daran ist: Nutznießer all der nationalen, ethnischen und religiösen Konflikte sind Islamisten, die über all dort zur Stelle sind, wo das labile Gefüge der Gesellschaften ins Wanken gerät. Sie sind die letzten Totengräber von Vielfalt und Lebendigkeit und Toleranz.

Dass die Lektüre dennoch nicht deprimiert, liegt an Kermanis Fähigkeit, Situationen und Personen genau und pointiert, aber auch mit großer Poesie zu zeichnen. Daran, dass er Menschen und keine abstrakten Sachverhalte in den Mittelpunkt stellt. Deren Verzweiflung, Würde, Gleichmut, Wut und Hoffnung berühren unmittelbar und lassen – bei aller Ausweglosigkeit – die Kraft spüren, die sie in sich haben. „Ausnahmezustand“ ist ein mitreißendes und erhellendes Buch. Wärmstens zu empfehlen.

Ruth Roebke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt