Zur Autorin/Zum Autor:
Roman Köster ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und hat sich über die deutsche Abfallwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg habilitiert.
Nominiert für den Deutschen Sachbuchpreis 2024
Nach aktuellen Schätzungen produziert die Weltbevölkerung pro Tag rund eine Million Tonnen an Plastikmüll, was dem hundertfachen Gewicht des Eiffelturms entspricht. Aber worum genau handelt es sich eigentlich bei Müll? Und was hat den Menschen der Frühzeit überhaupt dazu bewogen, seine Hinterlassenschaften zu entsorgen? Roman Kösters Globalgeschichte des Mülls, die von den Anfängen der Sesshaftwerdung des Menschen bis in unsere Gegenwart reicht, ist ebenso aufschlussreich wie bedrückend. Aber immens nötig.
(ausführliche Besprechung ungen)
Für ein umfassendes Verständnis der Frühgeschichte sind genaue Kenntnisse über die charakteristischen Lebensweisen unserer Vorfahren absolut unerlässlich. Wenn wir verstehen wollen, wie der Mensch vor Tausenden von Jahren gelebt hat, liegt es nahe, dass wir uns mit dessen Hinterlassenschaften beschäftigen müssen. Jedoch nicht allein in Form von verwitterten Artefakten, Hügelgräbern oder im Wüstensand verschütteten Sakralbauten – sondern vordergründig mit etwas viel Profanerem: mit Müll.
Denn was unseren heutigen Kenntnisstand über Azteken, die alten Römer oder Tupí-Indianer betrifft, so beruht dieser in erster Linie darauf, dass sich Archäologen buchstäblich durch Schichten von Dreck gewühlt haben, um Genaueres über die Sitten und Gebräuche dieser Kulturen in Erfahrung zu bringen.
Denn ab dem Zeitpunkt, da die Hochkulturen in Ägypten und Mesopotamien begonnen hatten, ihre jahreszeitlich bedingten Wanderungen aufzugeben und sesshaft zu werden, ergab sich neben den unbestrittenen Vorteilen eines gesellschaftlichen Miteinanders auch ein nicht zu unterschätzendes Problem: Wohin mit den riesigen Mengen an Abfällen und Fäkalien, die unweigerlich Legionen von Insekten und Ratten anzogen und neue Krankheiten wie Cholera oder Ruhr heraufgeschworen? Ausgrabungen haben belegt, dass sich bereits die Menschen der bronzezeitlichen, im Industal ansässigen Harappa-Kultur (2800 – 1800 vor unserer Zeit) zu helfen wussten, indem sie in ihren Siedlungen weitverzweigte Netze von geschlossenen Abflusskanälen errichteten.
Doch das Problem des Mülls oder vielmehr dessen Entsorgung hat die Menschheit seitdem vor immer größere Herausforderungen gestellt und wird mit beständig zunehmenden Bevölkerungszahlen zusehends komplizierter. Nach dem Erstarken einer Wohlstandsgesellschaft, die mit Beendigung des Zweiten Weltkriegs eingesetzt hat, stehen wir heute vor einem viel größeren Problem, als das noch vor rund hundert Jahren der Fall war, und das trotz der weltweiten Sensibilisierung für Nachhaltigkeit. Wo es Menschen gibt, da gibt es Müll und wird es immer geben. Und niemand weiß, wohin uns das führen wird.
Roman Kösters Globalgeschichte des Mülls, die Tausende von Jahren vor unserer Zeit einsetzt und bis in unsere Gegenwart reicht, ist eines der besten, weil erhellensten Sachbücher, die ich in der letzten Zeit gelesen habe. Der Autor versteht es (ohne jeglichen Fingerzeig – denn die Fakten sprechen für sich) auf prägnante, kurzweilige Weise den Leser regelrecht beim Schopf zu packen und auf ein Thema hinzuweisen, das uns alle betrifft. Auch unsere Nachkommen.
Die Globalgeschichte des Mülls ist ein überaus gelungenes, hochinteressantes Buch. Ein nötiges Buch, das man daher dringend weiterempfehlen sollte.
Axel Vits, Köln