Zum Buch:
Maria ist arbeitslos. Ab und zu sitzt sie tagsüber auf dem Kirchplatz, beobachtet die Menschen und ihre Umgebung. Und sie beobachtet genau. Anna Weidenholzer erzählt in ihrem zweiten Roman ein Leben rückwärts, sie erzählt tastend, so, wie Maria versucht, sich in ihrer Situation zurechtzufinden. Bei den Versuchen, neue Wege zu gehen, liegen alte, erlernte Muster auf der Lauer. Wie kann man ein anderes Leben beginnen?
Bei Moden Willert hat sie als Textilverkäuferin gearbeitet, mehr als 2O Jahre, und dann an einem Tag die fristlose Kündigung. Maria ist zu diesem Zeitpunkt siebenundvierzig. Das ist jetzt zwei Jahre her. Zum Arbeitsamt ist sie schon eine Weile nicht mehr gegangen. Walter, ihr Mann, der 10 Jahre älter war als sie und auf Festen so gerne Elvis imitierte, ist vor mehr als 9 Jahren gestorben. Maria Beerenberger ist eine einfache Frau, die bis zu ihrer Arbeitslosigkeit ein ganz normales Leben geführt hat. Szenen aus Marias Ehe – Weihnachten, Besuch der Schwiegereltern, Feiern mit Freunden im Bierzelt: Anna Weidenholzer gibt mit ihrem klaren Erzählstil und der reduzierten Sprache Einblicke in einen Alltag, der durchschnittlich ist. Aber in völlig unerwarteten Momenten brechen die konventionellen Abläufe auf und geben den Blick frei auf skurrile Erlebnisse, liebevolle Gedanken, verborgene Träume und tiefe Empfindungen. Da ist der nackte Mann in der Badeanstalt am See, der Maria das Herz eines Fisches schenkt; Otto, der kleine Frosch, der Maria im Gemüsefach des viel zu alten Kühlschrankes erfriert und auf dessen Grab sie einen Schneemann baut; die Stille der fehlenden Blätter, die Maria im Winter unerträglich findet. In diesen erzählten Momenten bricht Licht durch kaum wahrnehmbare Risse im Alltäglichen. Und wenn Maria weiterhin andere, auf dem Kirchplatz aufgeschnappte Sätze vor dem golden gerahmten Spiegel übt und an die Hilfe des Universums glaubt, wird ihr vielleicht doch ein neues Leben gelingen.
Ein Roman, der vor den staubigsten Ecken unserer Gesellschaft nicht zurückschrickt, sinnentleerte Sätze entlarvt und lyrische Töne anklingen lässt, wenn Maria es sich erlaubt, aus dem goldenen Rahmen zu fallen.
Susanne Rikl, München