Zum Buch:
Mandelas Bekenntnisse zeigen den Politiker, Ehemann, Vater und Freund ebenso wie den politischen Visionär, der auch ein virtuoser Pragmatiker war. Insgesamt bieten die Dokumente ein farbiges Bild des charismatischen Menschen, der 28 Jahre – von 1962 bis 1990 – in südafrikanischen Gefängnissen verbrachte und diese aufrechten Ganges verließ.
Es ist ein durchgehender Zug von Mandelas Selbstbekenntnissen und Selbstbeschreibungen, dass ihnen jedes sentimentale Pathos und jedes Selbstmitleid abgeht. Diese realistische Grundierung ist wohl auch die Voraussetzung für seine Einsicht: Die Zelle ist der ideale Ort, um sich selbst kennenzulernen. Gleichzeitig belehrte er durch solche Bescheidenheit sich selbst und die Welt, was der amerikanische Präsident Barack Obama in seinem Vorwort so umschreibt. Durch sein Handeln hatte Mandela gezeigt, dass wir die Welt nicht so akzeptieren müssen, wie sie ist. Im Unterschied zu Obamas Wahlslogan – Yes, we can – lautete Mandelas entschieden schwieriger durchzuhaltender Imperativ: No – und zwar gegenüber allen Verlockungen einer sogenannten multirassischen Sichtweise. Er setzte dagegen: Unsere Forderung war eine nicht-rassische Gesellschaft. Selbst in seiner schwierigen Situation wurde Mandela nie zum Träumer. Seine Motto lautete: Hoffen ist leicht, nur das Wünschen verdirbt alles. Die Haft selbst beschreibt Mandela als ein Wechselbad zwischen Erniedrigungen und Beleidigungen und geradezu grotesken Kleinlichkeiten. Innerhalb kurzer Zeit starben während seiner Haft seine Mutter und sein ältester Sohn. Die Teilnahme an beiden Beerdigungen wurde ihm verwehrt. Mandela begann in den 80er Jahren ein Rechtsstudium in der Haft. 1987, als fast 70-Jähriger ersuchte er um Befreiung vom obligatorischen Lateinkurs. Er hatte 1938 sein Abitur mit Latein bestanden, aber mittlerweile so gut wie alles vergessen. Trotz des offensichtlichen Irrsinns, jemanden, der im Staat der Apartheid Rechtsanwalt werden möchte, zu einem Lateinkurs zu zwingen, wurde Mandelas Vorschlag, statt Latein Afrikanische Politik zu belegen, abgelehnt. Mandela blieb auch in der Frage der Gewalt nüchtern und pragmatisch. Er bekannte sich im Prinzip zur Gewaltfreiheit, räumte jedoch ein, dass es Situationen gab, in denen der manifesten Gewalt nicht nur mit demonstrativer Friedfertigkeit geantwortet werden könne. Die dogmatisierten Gewalttheorien von Lenin und Stalin lehnte er zeitlebens ab und verurteilte auch archaische Bestrafungsrituale wie die berüchtigte Halskrause: Mutmaßlichen Verrätern und Kollaborateuren mit der Polizei wurden in Südafrika von radikalisierten Jugendbanden zur Strafe brennende Autoreifen über den Kopf gestülpt. Kalendernotizen verweisen auf die öde Banalität des Haftalltags: Blutdruck 140/90, 21.Hochzeitstag, bekomme jetzt täglich einen Liter frische Milch. Ein starkes Dokument zum Leben eines starken Charakters. Rudolf Walther, Frankfurt am Main