Zum Buch:
Sie wussten nicht einmal, dass sie ihr Ziel erreicht hatten.
Als sich das holländische Handelschiff, die Liefde, im Frühjahr 1600 mühsam ihren Weg zwischen die vielen Dschunken und hinein in das Hafenbecken bahnte, befand es sich, ebenso wie die Mannschaft, oder besser gesagt dem, was nach neunzehn Monaten auf See davon übrig geblieben war, in einem erbärmlichen Zustand.
Mit fünf Schiffen sind sie damals losgesegelt. Von Rotterdam aus. Sie hatten sowohl den Atlantischen als auch den Pazifischen Ozean durchquert und fanden den Weg durch die enge Magellanstraße allein durch Zufall. Schneestürme, Wirbelwinde, endlose Flauten, die zahlreichen Angriffe von Wilden auf tropischen Inseln, Hunger, Durst, Skorbut, kurzum: Die Gefahren waren so groß, sie hätten es beinahe nicht geschafft.
Dreihundert Jahre zuvor sitzt Marco Polo, der venezianische Münchhausen, in einem Kerker in Genua und diktiert einem Mitgefangenen seine ganz persönlichen Reiseerlebnisse. Die Besitztümer an Gold, sie sind geradezu unerschöpflich, denn sie finden es auf ihren eigenen Inseln. Das Dach des Kaiserpalastes aus feinstem Gold. Doch sind die Entfernungen (dorthin zu segeln) gewaltig und die Gefahren groß. Zipangu.
Marco Polo ist nie in Japan gewesen. Oder eben in Zipangu. Das hatte man sich auch damals schon gedacht, und trotzdem ließen sich Abenteurer aus aller Welt durch Verheißungen solcher Art dazu verleiten, allein auf Gott und eine günstige Brise zu vertrauen und allen Gefahren zum Trotz das sagenumwobene Eiland zu entdecken. Zipangu.
Als sich der mit allerletzter Kraft über die Reling hievende Navigator der Liefde, William Adams, voller Entsetzen einem Heer rasch näher kommender Kanus gegenübersieht, hat er natürlich nicht die geringste Ahnung, dass er kurz davor steht, der erste Engländer zu sein, der jemals die Küste Japans erreicht hat. Und nicht nur das. Er wird es, sehr zum Missfallen der portugiesischen Jesuiten, dereinst zum persönlichen Berater des Shogun bringen. Er wird die Sprache perfekt beherrschen, sich fein kleiden und neue Sitten erlernt haben, später ganze Ländereien besitzen und eine hübsche Japanerin heiraten, obwohl daheim, in einem Dreckskaff in der Nähe von London, Frau und Kinder auf ihn warten.
Adams wird schwindlig. Dann bricht er zusammen.
Giles Milton weiß, wie man Geschichte erzählt. Zuerst dachte ich ja noch: Samurai? Shogun? Ok, ich habe damals diese Serie gesehen, mit Richard Chamberlain und Toshiro Mifune, und auch wenn ich mich damit hier oute, ich fand sie damals ziemlich toll. Aber da war ich vielleicht elf.
Jetzt bin ich sehr froh, dass ich dieses Buch gelesen habe. Gleich im Anschluss daran habe ich mir zwei weitere Titel aus der Feder Miltons bestellt. Der Mann kann richtig gut erzählen. Faktenreich, ja, auf alle Fälle. Aber all das liest sich wie ein bemerkenswert gut und spannend geschriebener, oft sehr witziger Abenteuerroman. Ein kleiner Verlag. Ein großer Wurf. Giles Milton.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln