Zum Buch:
Wem das hochgelobte und 2021 auf Deutsch erschienene Buch Geflochtenes Süßgras der amerikanischen Ökologin Robin Wall Kimmerer mit seinen über vierhundertfünfzig Seiten zu umfangreich war, dem sei jetzt die wunderschön gestaltete Sonderausgabe mit Auszügen aus Kimmerers anregender Gedankenwelt ans Herz gelegt. Mit den „Geschenkbüchern“ ist es bei uns BuchhändlerInnen so eine Sache: schafft es ein schönes Büchlein, auf meist wenigen Seiten etwas inhaltlich Tiefgehendes zu vermitteln? Bei der hier empfohlenen Ehrenhafte Ernte mit einem Vorwort von Mithu Sanyal ist die Antwort ganz eindeutig: ja!
In Zeiten von Klimawandel und einer allumfassenden ökologischen Krise, mit eklatantem Artensterben, schwindender Biodiversität und sich häufenden Extremwetterereignissen gibt es zwar keine einfachen Antworten auf hochkomplexe Fragen und Aufgabenstellungen, der Umgang sogenannter „indigener Kulturen“ mit der Natur steht jedoch nicht umsonst seit Jahren immer wieder im Fokus verschiedener wissenschaftlicher Betrachtungen.
Robin Wall Kimmerer, selbst Mitglied der “Citizen Potawatomi Nation”, also eine Native American, verbindet auf besonders anschauliche und berührende Weise botanische Forschungserkenntnisse mit indigenem Wissen. Der Grundgedanke einer Einheit von Mensch und Natur, der bei vielen indigenen Völkern Wahrnehmung und Umgebung prägt, steht in großem Kontrast zur Nutzung und Ausbeutung der Natur in den meisten Industrienationen. Durch die Missdeutung (?) des christlichen Schöpfungshymnus „Macht Euch die Erde untertan“ wird der Mensch von der Natur getrennt und steht fortan in einem Konkurrenz- und Ausbeutungsverhältnis.
Kimmerer weist darauf hin, dass schon die Grammatik der Sprache den Menschen vom Ding durch ein sächliches Personalpronomen, ein „es“, unterscheidet. Auch wenn der Mensch um die höchst lebendigen Prozesse in Pflanzen- und Tierwelt weiß, werden Wälder ohne Scham gefällt, Meere überfischt, Gas aus den tiefsten Schichten der Erde gepresst. Kimmerer plädiert für eine bewusst maßvolle, „ehrenhafte“ Ernte, bei der Natur und Mensch in einem respektvollen Austausch miteinander stehen.
Hoffnung machen die Gerichtsprozesse der vergangenen Jahre, an deren Ende ein Fluss oder eine Region als juristische Person mit eigenen Rechten anerkannt wurde. Das holt die Wahrnehmung der Natur als Mutter oder doch zumindest Schwester aller Menschen aus dem oftmals belächelten Randbereich von Bäume umarmenden Naturfreaks heraus. Mit der lebensbejahenden Botschaft einer klugen Frau und den Illustrationen der preisgekrönten Hanna Zeckau, kann man dieses Büchlein uneingeschränkt jedem in die Hand geben.
Larissa Siebicke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt